Was auf den Marktplatz taugt

27 Juli 2025

Hölderlins Ode „Menschenbeifall“, geschrieben 1798,  nachzulesen auf Planet Lyrik.  

Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;  

Der Liebende, der nicht geachtet wird – Hölderlin ist als Hauslehrer bei Gontards, einer Frankfurter Bankiersfamilie, angestellt und unsterblich in Susette Gontard, die Hausherrin und Mutter von vier Kindern, verliebt. Diese erwidert die Liebe, man tuschelt in der besseren Gesellschaft, der Mann schließlich wirft Hölderlin hinaus. Soweit, so banal. Der Dichter gibt seiner Enttäuschung in der Ode „Menschenbeifall“ beredt Ausdruck: 

Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
Seit ich liebe? warum achtetet ihr mich mehr,
Da ich stolzer und wilder,
Wortereicher und leerer war?

Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
An das Göttliche glauben
Die allein, die es selber sind.

Nun habe ich es nicht so mit Hölderlins Werk, es ist mir zu viel „Göttliches“, zu viel „Heiliges“ darin. Die Hölderlin-Biografien von Peter Härtling und Pierre Bertaux aber waren neben den Bientzle-Krimis von Felix Huby (*) das erste, was ich als Neuankömmling im „Länd“ las. 

Die Erkenntnis Hölderlins über den Menschenbeifall ist zeitlos und nichts hat sich seither geändert. Bankiers sitzen nach wie vor in Frankfurt, der Marktplatz heißt heute Instagram und die Gewaltsamen und ihre Knechte feiern gerade fröhliche Urständ **. 

* Huby und Hölderlin in einem Absatz!

** Der Ausdruck bezieht sich, mit einem herablassenden oder ironischen Unterton, auf ein Wiederaufkommen von etwas vergessen, vergangen oder überstanden Geglaubtem. Es findet sich zumeist in journalistischen Texten. Nach Ansicht von Wolf Schneider und Paul-Josef Raue (Handbuch des Journalismus) ist es eine „Floskel, die die meisten Leser noch nie verstanden haben“. (Wikipedia) 🧐