Buchcover von Alejo Carpentier Die Explosion in der Kathedrale, Quelle: Suhrkamp Verlag

Alejo Carpentier Die Explosion in der Kathedrale

29 November 2025

Der erste Satz

Hinter ihm fing der Testamentsvollstrecker mit gedämpfter Stimme abermals von Totengebeten, Kreuzträgern, Opfergaben, von Trauerkleidung, Kerzenleuchtern, schwarzem Tuch und Blumen, Totenregister und Requiem zu sprechen an – und jener war in großer Uniform gekommen und dieser hatte geweint und ein anderer hatte gesagt, wir seien alle nichts – ohne daß der Gedanke an den Tod sich als etwas Düsteres darzustellen vermochte an Bord der Barke, die die Bucht durchschnitt unter der dörrenden Sonne des hohen Nachmittags, deren Licht auf den Wellen funkelte, verstärkt durch Schaum und Wasserblase, brennend im Freien, brennend unter der Plane, in die Augen dringend, in alle Poren, unerträglich den Händen, die an der Brüstung einen Halt suchten.

Alejo Carpentier – Explosion in der Kathedrale

Ich musste diesen Satz und die weiteren zum Teil mehrmals lesen, um zu mich zu orientieren. Mit der Zeit jedoch gelang es immer besser, dem Erzählstrom zu folgen.

Der Inhalt

Es ist die Geschichte von drei jungen Menschen, Carlos, Esteban und Sofia, deren Vater, ein reicher Kaufmann auf Kuba, stirbt. Sie erleben eine magische Zeit voller Entdeckungen, bis eines Tages ein Franzose aus dem Santo Domingo (heute Haiti) an die Tür klopft. Es ist dies Victor Hugues, der in der beginnenden Französischen Revolution Karriere macht und von Robespierre als Kommissar auf Französischen Antillen geschickt wird, um die Dekrete der Revolution durchzusetzen, unter anderem die Abschaffung der Sklaverei. An Bord des Schiffes, mit dem Hugues und mit ihm Esteban nach Guadeloupe reisen, befindet sich die Guillotine.

Esteban und Sofia müssen erkennen, dass ihr Idealismus und ihre Erwartungen an die Revolution ein grausiger Irrtum waren, es gewinnen die Kaufleute und die Opportunisten. Und der Guillotine ist es einerlei, wessen Hals sie durchtrennt.

Das Buch las ich das erste Mal mit 17 Jahren und ich hatte all die Jahre eine schöne Erinnerung daran, hatte aber außer diesem positiven Gefühl alles andere vergessen. Das Wiederlesen war denn auch wie das Entdecken eines neuen Buches.

Ein großartiges Buch (dessen Vokabular sicher nicht den heutigen Standards entspricht) des Magischen Realismus, dessen wichtiger Vertreter der Kubaner Alejo Carpentier war.

Ein letzter schöner Satz sei angeführt:

Welches Zeichen, welche Botschaft, welche Mitteilung in den gekräuselten Blättern der wilden Zichorie, im Alphabet der Moose, in der Geometrie des Rosenapfels? Eine Schnecke anschauen, nur eine einzige. Tedeum.

Alexjo Carpentier – Explosion in der Kathedrale