Eine zufällige Sammlung von Versen, die mir wegen ihrer Sprache, ihrer Bilder und auch wegen ihrer Aussage sehr gefallen haben. Bei einigen ist ein Link auf das komplette Gedicht dazugestellt. Der Klick lohnt sich, denn ein Vers allein sagt ja nicht viel.
Das Foto zeigt einen Buchverkaufsstand in Amsterdam.
Verse
Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich,
Alfred Lichtenstein: Die Dämmerung (1913).
als wäre ihm die Schminke ausgegangen.
Das Gedicht auf Anti-Körperchen. Lyrik-Datenbank
Sag mir ein Wort, und ich stampfe dir
Christine Lavant: Sag mir ein Wort. Das Gedicht auf Deutsche Lyrik, ein Abriss des Lebens im Deutschlandfunk
aus dem Zement eine Blume heraus
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Erich Kästner: September. Das Gedicht auf Deutsche Lyrik. Wenn Kästner mit der letzten Zeile Herbst und Winter meinte, so kommen dem Leser am Wahlsonntag im September ganz andere, schreckliche Assoziationen in den Sinn.
Und was vorüber schien, beginnt.
Einer ist reich
Christine Nöstlinger: Auszählreime. aus: 1000 Deutsche Gedichte, Suhrkamp, 1994. Das Gedicht auf Lyrikline (nicht vollständig)
und einer ist arm,
einer erfriert
und einer hat’s warm.
Einer schreit Hilfe,
Wolf Wondratschek: Die Gedichte. Zweitausendeins, Frankfurt a.M. 2007. Das Gedicht auf Planetlyrik
doch niemand hört.
Ich sage, angenehm diese Wohnung,
wo einer schreien kann
und nicht stört.
was brauchst du? einen Baum ein Haus zuFriederike Mayröcker: was brauchst du
ermessen wie groß wie klein das Leben als Mensch
Das ganze Gedicht auf Lyrikline
Ich jedenfalls
Heinz Czechowski: Immerwährender Sontag
Lebe am Sonntag,
Mit den Dienst- und Freitagen
habe ich nichts zu tun, selbst
der Donnerstag
Ist mir egal.
Das ganze Gedicht auf PlanetLyrik
Und weil ich ein Esel, so rat ich euch,
Heinrich Heine: Die Wahlesel.
den Esel zum König zu wählen;
wir stiften das große Eselreich,
wo nur die Esel befehlen.
Aus: „Nachgelesene Gedichte 1845 – 1856“
Wo nichts verharret, alles flieht,
Johann Wolfgang von Goethe „Als Allerschönste bist Du anerkannt“
Wo schon verschwunden, was man sieht;
Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
Thomas Brasch: „Was ich habe, will ich nicht verlieren“
wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
(Kargo, Suhrkamp) (auf planet lyrik)
Und ein einziger Ausblick: am Horizont scheint
Kurt Brinkmann, Sisyphos (auf PlanetLyrik)
Himmel auf Erden zu sein.
Der Name ists, der Menschen zieret,
Kurt Tucholsky, Schall und Rauch, 1913
weil er das Erdenpack sortieret –
bist du auch dämlich, schief und krumm:
Du bist ein Individuum.
Der reinen wolken unverhofftes blau
Stefan George, komm in den totgesagten park, 1895
Erhellt die weiher und die bunten pfade
(Gedicht auf Lyrikline)
Es ist doch so, laut EMNID folgt für 44%
Peter Rühmkorf: Aufbruch vor Morgen
aller Bundesbürger auf den Tod das Nichts.
Von denen völlig zu schweigen, für die nach dem Nichts
gleich der Tod kommt
das ganze Gedicht auf Lyrikline
Um Alter und Weisheit wett-
Rolf Haufs, Peppino Portiere
Eiferte er mit einem
Eukalyptusbaum.
(aus 1000 Deutsche Gedichte, Suhrkamp 1994)
Ich muß endlich begreifen,
Elisabeth Borchers, Zeit. Zeit (Suhrkamp, 2008)
daß ich Zeit habe.
(bei Planet Lyrik)
Nein, wir wollen noch einen Liter saufen
Hermann Hesse, Abend mit Doktor Ling (1926)
Und uns eine Brissago kaufen,
Mehr bietet dieses dumme Leben nicht.
(*Brissago am Lago Maggiore war Stätte einer geschätzten Tabakmanufaktur)
Ich höre des gärenden Schlammes
Theodor Storm, Meeresstrand (1853/54)
geheimnisvollen Ton
Wie schafft ein einziges Vaterland
Peter Rühmkorf „Heinrich-Heine-Gedenklied“
nur so viel Dunkelheit?
aus: „Aufwachen und Wiederfinden“, Insel 2007
Ich fürcht mich so vor der Menschen Wort
R.M. Rilke, Ich fürcht mich so vor der Menschen Wort, 1898
sie sprechen alles so deutlich aus
Ich bin der Geheimnisse lächelnder Ketzer
Hugo Ball, Intermezzo (1923/24)
Ein Buchstabenkönig und Alleszerschwätzer
aus: 1000 Deutsche Gedichte, Insel
Du wardst nicht die Speise der stummen Brut?
Gustav Schwab, Der Reiter und der Bodensee
Der hungrigen Hecht’ in der kalten Flut?
Grüne Tropfen tropfenweise
Kurt Schwitters, Frühe rundet Regen blau
Leise Tropfen tropfen leise
(ca. 1919)